Mythologie: Der Phoenix - Teil 2 - Griechen und Römer

Antikes Griechenland und römische Mythologie


Herodot: In Ägypten gibt es einen heiligen Vogel mit dem Namen Phoinix, der alle fünfhundert Jahre einmal erscheint in Heliopolis in Nordägypten. Er kommt immer dann, wenn der Vater gestorben ist. Nach Bildern zu schließen besitzt er die Gestalt und Größe eines Adlers: sein Gefieder ist teils goldfarben teils rot. Des näheren erzählt man von ihm folgendes (was Herodot nicht glaublich erscheint): Er kommt aus Arabien, bringt seinen Vater, den er in ein Stück eines Myrrhenstammes gelegt hat, in den Tempel des Helios (Ria, Rè) und bestattet ihn dort. Dem Myrrhenholz gibt er zuerst die Gestalt eines Eies, so groß als er es tragen kann. Wenn er sich im Tragen genug geübt hat, höhlt er das Ei aus, legt seinen Vater hinein, schließt die Öffnung mit einem anderen Stück desselben Holzes, sodass das Ei wieder das ursprüngliche Gewicht hat, und trägt es an den genannten Ort.
Ovid: Er lebt nicht von Früchten und Kräutern, sondern von Weihrauchtropfen und Amomumsaft (Ingwergewächs).

Lactantius: (Erste Beschreibung des Landes in dem der Phönix leben soll). Im äußersten Osten liegt ein glückliches Land ... dort gehört dem Sonnengott ein dichter immergrüner Hain ... alles Hässliche und Traurige bleibt diesem Land fern ... Es regnet nicht, das Land wird durch einen Quell bewässert ... Sehr hohe Bäume tragen milde Früchte, welche nicht abfallen. Hier wohnt allein der Phönix, der Begleiter des Phoibos (= Apollon, römischer + griechischer Gott des Lichts). Sobald die Morgenröte hervorkommt, trinkt er von der Quelle ... setzt sich auf den Wipfel eines Baumes ... die ersten Strahlen der Sonne begrüßt er mit wunderschönem Gesang ... den Gang der Stunden begleitet er mit seinem Gesang, als Priester des Haines und der Geheimnisse des Phoibos kundig.
Claudianus: ... Den Göttern gleich lebt er so lange wie die Sterne, da sich sein Leib immer wieder erneut. ... Der Phönix entsteht nicht durch Zeugung oder Samen, sondern ist zugleich sein Vater und Sohn und erneut die abgelebten Glieder durch fruchtbares Sterben ... unterliegt er der Last des Alters, sammelt er trockene Kräuter und häuft sich aus kostbaren arabischen Reisern ein Lager, das sein Grab und seine Geburtsstätte werden soll ... Er ruft den Sonnengott an und bittet um das Feuer, dieser schüttelt ein Haar aus seinem Haupt auf ihn. ... Während der Scheiterhaufen neues Leben vorbereitet, lässt die Mondgöttin ihr Gespann halten und der Himmel stellt seine Drehung ein. ... Alsbald entsteht ... neues Leben ... und verjüngt erhebt sich der Phoinix aus der Asche.
Tacitus: ... wenn seine Jahre vollendet sind baut er in seiner Heimat ein Nest und beträufelt es mit seinem Samen aus dem ein Nachkomme entsteht. Ist dieser herangewachsen, übt er sich im Tragen eines Stück Myrrhenholzes und wenn er die Last eine lange Strecke tragen kann, nimmt er den Leichnam seines Vaters und bringt ihn zum Altar des Sonnengottes, wo er den Leichnam verbrennt.
In einigen Schriften wird das Aussehen des Phönix beschrieben. Meist wird er mit einem Adler oder einem Fasan verglichen. So beschreibt ihn Plinius als „In der Größe eines Adlers ... am Hals golden, sonst purpurn, der Schwanz bläulich mit rosenfarbenen Federn dazwischen, den Hals ziert ein Kamm, den Kopf eine Federkrone ...“. 
Lactantius noch ausführlicher als „ Rot wie ein Granatapfel der Körber, der Schweif glänzend vor Gold mit Purpurflecken, die Flügel schillern in Regenbogenfarben, der Schnabel weiß mit smaragdgrüner Färbung, die Augen leuchtend wie Amethyste, am Haupt trägt er einen Strahlenkranz, die Beine mit goldenen Schuppen, die Krallen rosenrot. Halb Pfau, halb Fasan erscheint er ...“. 
Anscheinend sollte durch die Beschreibungen das Besondere des Phönix hervorgehoben werden. So wird auch mehrfach ein besonderer Kopfschmuck erwähnt, ähnlich einer Krone, einmal sogar noch zusätzlich mit einem Stern verziert, oder ein Strahlenkranz, es schien also eine Neigung zu bestehen den Phönix in enge Beziehung zur Sonne, dem Sonnengott zu bringen und/oder ihn als Sonnenvogel anzusehen. Doch gibt es hier auch die These, dass wohl ursprünglich der Mond damit gemeint war. An den Mondphasen ist das Absterben und Wiederaufleben deutlicher zu beobachten und es vergehen einige Tage, ehe die neue Erscheinung (der wiedergeborene Phönix) wieder zur vollen Größe herangewachsen ist.



 (Bilder aus dem Buch "Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Band 3,2, Leipzig 1909"  - von mir bearbeitet)

 Ursprünglich sind zwei verschiedene Überlieferungen vorhanden. Entweder stirbt der Phönix auf gewöhnliche Weise oder er verbrennt sich. Welche die Ältere ist, lässt sich nicht entscheiden. Gemeinsam ist, dass es immer nur einen Phönix gibt und dass nach dessen Tod ein Nachkomme aus diesem entsteht. Für sein Nest verwendet er immer Gewürze und Kräuter aus der Heimat (wo immer diese auch ist).

Bei Herodot bringt der junge Phönix den Leichnam in einem aus Myrrhenholz gefertigten Ei nach Heliopolis und bestattet ihn im Tempel des Sonnengottes. Ähnlich erzählten dies andere Schriften (z.B. Achilles Tatius und Aelian). Ovid erzählt, dass sich der Phoinix auf einer Palme sein Nest baut und dort stirbt. Der neue Phönix trägt das gesamte Nest mit Inhalt nach Heliopolis. Nach Tacitus übt der neue Phönix das Tragen erst an einem Stück Myrrhenholz bevor er den Leichnam auf den Altar des Sonnengottes trägt, wo dieser verbrannt wird. In anderen Schriften ist aber auch von einem Scheiterhaufen zu lesen, den sich der alte Phönix auf dem Altar des Sonnengottes baut, aber auch von dem Tod des Phönix an den Nilquellen wo er vorher noch in seinem Nest einen Totengesang anstimmt.

Bild aus dem Buch "Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie", Band 3,2, Leipzig 1909 (von mir bearbeitet)

Einige Male finden sich auch Beschreibungen, dass aus dem Leichnam erst ein Wurm entsteht, der dann Flügel bekommt und zu einem jungen Phönix heranwächst (z.B. bei Clemens Romanus und Plinius). Im Physiologus wird erzählt, dass der Phönix selbst aus seinem Körper ein Feuer hervorbringt und verbrennt, aus der Asche kommt ein Wurm hervor, der sich dann zum Vogel entwickelt. Lactantius erzählt, dass Sonnenstrahlen den Vogel entzünden. Aus der Asche entsteht ein Wurm, daraus ein Ei aus dem wiederum der neue Phönix schlüpft und heranwächst.
Als heiliger Vogel des Sonnengottes wird der Phönix von einigen dieser Dichter bezeichnet. So wird er auf seiner Reise von einer großen Schar anderer Vögel begleitet (die ihn entweder beschützen oder anbeten).

Die Lebenszeit des Phönix wird mit 500 Jahren (z.B. bei Herodot, Ovid, Tacitus) angegeben, 1000 Jahre sind es bei Plinius dem Älteren. 1461 Jahre werden aber ebenfalls angegeben – das wäre die Zeit, nach welcher das gewöhnliche Jahr von 365 Tagen sich um ein ganzes Jahr verschoben hätte. Es gibt aber auch Zeitangaben mit 12954 Jahren oder 972 Menschenalter-Jahren. Einmal findet sich aber auch die Angabe, dass der Phönix jedes Jahr neu entsteht. Die einzige Zahl, die für die Zeitrechnung  wirklich eine Bedeutung hat ist die Zahl 1461, welche die Sothisperiode bezeichnet, aber sicherlich nichts mit Bezug auf den Phönix zu tun hat. Der Sothis-Zyklus begründet sich auf der Annahme, dass der Stern Sirius alle vier Jahre um einen Tag im ägyptischen Kalender wandert (Schaltjahr). Somit ergab sich bei 365,25 Tagen im julianischen Kalender der so angesetzte Zyklus von 1461 Jahren (365,25 x 4). 

Die Vorstellung von der Langlebigkeit des Phoinix konnte sich auch entwickeln, wenn sich das Absterben und die Verjüngung in kleineren Zeitspannen wiederholte, denn der Begriff der Ewigkeit ergibt sich schon aus der Verjüngung an sich. Die unterschiedliche Lebensdauer des Vogels wurde dann wohl jeweils auf bestimmte unbekannte Geschehnisse der jeweiligen Ära übertragen.
Die Heimat des Phönix wird unterschiedlich angegeben. So ist es bei Herodot und Tacitus und auch anderen Arabien, Ovid nennt Assyrien als Herkunftsland. Aber auch Äthiopien, Indien und Panchaia (fiktive? Insel, evtl. Antlantis, erwähnt u.a. in Ovids Metamorphosen) werden genannt. Sonst ist von einer weit im Osten gelegenen Gegend der Rede. Weitgehend einig sind sich die Dichter und Gelehrten jedoch bezüglich Heliopolis als Begrabungsstätte des Leichnams des alten Phönix.
Aus den fünf Namen Panchaia, Äthiopien, Arabien, Assyrien und Indien lässt sich ableiten, dass unter Umständen durchaus die gleiche Gegend bezeichnet wurde. Die Äthopen waren in älterer Zeit am Südrand Irans am persischen Meerbusen, Arabien als südliche Begrenzung und vermutlich Panchaia als in dem Meerbusen gelegen. Die Äthiopenküste und ihre östlichen Nachbargebiete führen später den Namen Indien und unter Assyrien ist im griechischen Sprachgebrauch Babylonien bezeichnet, die westliche Begrenzung des Meerbusens.

Was die Griechen von dem sich verbrennenden und sich verjüngenden Vogel Phönix wussten, wird vermutlich im alten Äthiopenland wurzeln. Anscheinend vermischten die Griechen eine der Sagen aus Äthiopien (der Gott Amman und die Vogelkrieger, Sage von Memnon, dem König der Aithiopen von Susa) mit Überlieferungen des ägyptischen Benu. So erzählt Herodot von einem ägyptischen Vogel, also dem Benu, was sonst von dem Phoinix bekannt war. Was sich in den ägyptischen Überlieferungen über den Benu findet, ist so ganz anders als die Geschichte des Phönix.
In der Spätantike wurde der Phönix dann zum Symbol der Unsterblichkeit, da er die Fähigkeit hatte, sich zu regenerieren, wenn Feinde ihn verwundet hatten. 

Zur Zeit der römischen Kaiserreiche gilt der Phönix als Zeichen für die gesamte Welt, als Symbol für die Ewigkeit der Stadt Rom oder auch als Symbol für eine Erneuerung des Zeitalters. Er wird in dieser Zeit abgebildet auf Särgen aber auch auf Münzen.

Herodot
Griechischer Dichter
490/480 – 424 v.Chr.
Ovid
Römischer Dichter
43 v. Chr. – 17 n.Chr.
Plinius – der ältere
Römischer Gelehrter, Verwaltungsbeamter, Naturkundler
23/24 – 79 n. Chr.
Clemens Romanus
Römer (Bischof von Rom; Verfasser d. Clemensbriefe)
50 – 97 n.Chr.
Tacitus
Römischer Historiker und Senator
58 – 120 n. Chr.
Achilles Tatius (Tatios)
Griechischer Schriftsteller
2./3. Jahrhundert n. Chr.
Physiologus
Frühchristliche Naturlehre in griechischer Sprache
Beschreibung von realen und fabelhaften Tieren, Bäumen und Steinen.

Das ursprüngliche griechische Schriftstück ist wohl im 2. Jahrhundert in Alexandria entstanden und besteht aus 48 Abschnitten.
Claudius Aelianus / Aelian
Römischer Sophist und Lehrer der Rhetorik
Sophist = jemand der über besonderes theoretisches oder praktisches Wissen verfügt
170 – ca. 222 n. Chr.
Lactantius
Lateinischer Rhetoriklehrer, wird zu den Kirchenvätern gezählt
Lehnte die heidnische Literatur nicht ab sondern benutzte sie ausgiebig um christl. Gedankengut zu vermitteln
240 – 320 n. Chr.
Claudianus (Claudian)
Lateinischer Dichter der Spätantike
370 – 404 n. Chr.
Isidor von Sevilla
Römischer Schriftsteller und Bischof von Sevilla
Verfasser einer Enzyklopädie (20 Bücher) auf Grundlage des noch vorhandenen Wissens der Antike
560 – 636 n. Chr.


Fortsetzung folgt ...

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