Alchemie - Teil 2
Die beiden heute noch bekanntesten Alchemisten dürften wohl Flamel und Paracelsus (Paracelsus-Medizin) gewesen sein, so dass ich ihnen jeweils ein eigenes Kapitel widmen möchte.
Flamel
Im Zusammenhang mit der Alchemie ist ein Name bis heute besonders bekannt geblieben: nämlich Nicolas Flamel, von dem allerdings bis heute nicht klar ist, ob er tatsächlich Alchemist war. Mitunter wird sogar seine Historizität angezweifelt. Um Flamel ranken sich etliche Legenden. Unter anderem wird ihm nachgesagt, er habe den Stein der Weisen gefunden und Unsterblichkeit erlangt, lebe also noch heute, und seit den 1960’er Jahren wird er mit der Rennes-le-Château-Legende und der Prieuré de Sion in Verbindung gebracht. Dabei handelt es sich um eine hanebüchene Verschwörungstheorie, auf die ich gegen Ende dieses Teils des Essays noch ganz kurz eingehen werde.![]() |
Nicolas Flamel [1] |
Flamels Eltern waren Juden, die gezwungen worden waren, zum Katholizismus zu konvertieren. Er selbst war u.a. auch von Benediktinermönchen ausgebildet worden und beherrschte neben seiner Muttersprache, Französisch, auch Hebräisch und Latein.
Nicolas Flamel werden etliche alchemistische Schriften zugeschrieben, die vermutlich gar nicht von ihm sondern von Autoren stammen, die nach ihm gelebt haben. So gab z.B. Jacques Gohorry (* 20. März 1520 in Paris, † 15. März 1576 in Paris), ein Jurist, Arzt und Alchemist der französischen Renaissance, der selbst als Autor alchemistischer Schriften in Erscheinung trat, im Jahre 1561 einen Sammelband mit drei Texten über die Transmutation der Metalle heraus. Einer davon, mit dem Titel Sommaire Philosophique (dt. Zusammenfassung der Philosophie), erschien unter dem Namen Flamels. Dieses Werk wurde wiederholt aufgelegt und in verschiedene Anthologien aufgenommen.
Außerdem wird Flamel immer wieder als Autor oder zumindest Co-Autor des alchemistischen Buches Livre des Figures Hiéroglyphiques (dt. Buch der hieroglyphischen Figuren [2]) genannt, das zunächst im Jahre 1612 in Paris in Französischer Sprache erschien und dessen Ursprung anfangs auf das Jahr 1399 datiert wurde. Anhand des benutzten Vokabulars und der behandelten Vorstellungen gehen Fachleute heute davon aus, dass es nicht vor 1590 entstanden sein kann. Im Jahr 1624 erschien dieses Buch dann in London auf Englisch und schließlich 1681 in Hamburg auf Deutsch unter dem Titel Des berühmten Philosophi Nicolai Flamelli Chymische Werke. Dieses Buch enthält im Vorwort des Herausgebers eine Beschreibung von Flamels angeblichem Werdegang als Alchemist. Heute geht man davon aus, dass es sich bei diesem Buch um ein Werk des Herausgebers handelt, der die Übersetzung aus dem Französischen oder aus dem Englischen nur vorgetäuscht hat.
Um Nicolas Flamel ranken sich wie oben schon kurz erwähnt alle möglichen (und auch unmöglichen) Legenden.
Im Vorwort des Livre des Figures Hiéroglyphiques heißt es, im Jahre 1357 sei Flamel im Traum ein Engel erschienen. Dieser habe ihm ein Buch gezeigt, dessen Inhalt nur ihm, Flamel, zugänglich sei. Angeblich soll dieses Buch in drei Kapiteln, die jeweils sieben Seiten umfassten, den Prozess der Herstellung des Steins der Weisen beschrieben haben, aber in verschlüsselter Form. Drei Kapitel à sieben Seiten ist ein Hinweis auf 3 x 7, das Produkt zweier magischer Zahlen. Zur Bedeutung solcherlei magischer Zahlen in der philosophisch-transzendenten Alchemie werde ich in einem späteren Teil dieses Essays noch mehr sagen.
Jedenfalls soll es Flamel zunächst nicht gelungen sein, das Buch zu entschlüsseln und so er soll versucht haben, sich Hilfe bei spanischen Alchemisten zu holen, was ihm aber wohl nicht gelang. Der Legende zufolge (es gibt keine eindeutigen historischen Belege) soll er auf der Rückreise von Santiago de Compostela nach Paris einen Gelehrten namens Maître Canches kennen gelernt haben. Dieser Maître Canches soll das Buch aufgrund von Flamels Beschreibungen als ein Werk mit dem Titel Habraham, Juif, Prince, Prêtre, Lévite, Astrologue & Philosophe; à la Nation des Juifs que l'ire de Dieu a dispersé dans les Gaules... [dt. Abraham, Jude, Prinz, Priester, Levit, Astrologe und Philosoph; an die Nation der Juden, die der Zorn Gottes in Gallien verstreut hat ...] identifiziert haben. Maître Canches soll dieses Buch jedoch nie selbst gesehen haben, da er verstarb, bevor er Gelegenheit hatte, Flamel in Paris zu besuchen. Angeblich hatte nämlich Flamel das mysteriöse Buch auf seiner Reise nämlich gar nicht dabei; vielmehr soll er es zuhause in Paris aufbewahrt haben.
Schließlich soll es Flamel nach einundzwanzig Jahren aufgrund der Hinweise von Maître Canches doch noch geschafft haben, das Buch zu entschlüsseln und die Beschreibung zur Herstellung des Steins der Weisen wirklich zu verstehen. Welch ein Zufall: an dieser Stelle taucht das Produkt 3 x 7 erneut auf. Die Entschlüsselung des ominösen Buchs soll es ihm ermöglicht haben, am 17. Januar 1382 gemeinsam mit seiner Frau zum ersten Mal Silber aus Quecksilber herzustellen und am 25. April 1382 soll er es schließlich geschafft haben, Gold zu erzeugen.
Die ganze Geschichte um das mysteriöse Buch dürfte eine freie Erfindung sein. Ein Buch, auf welches sich der französische Titel Habraham, Juif, Prince, Prêtre, Lévite, Astrologue & Philosophe; à la Nation des Juifs que l'ire de Dieu a dispersé dans les Gaules... beziehen könnte, existiert(e) aber wirklich. Es handelt sich vermutlich um ein Werk, das auch unter dem deutschen Titel Das Buch Abrahams des Juden bekannt ist. Noch bis in das 18. Jahrhundert hinein wurde kolportiert, es enthielte Hinweise oder gar Beschreibungen davon, wo die aus Frankreich vertriebenen Juden ihre Schätze versteckt hätten. Flamel, so heißt es, sei nicht zu Reichtum gelangt, weil er Gold gemacht habe, sondern weil er diese Schätze geborgen und sich angeeignet habe. Die Entdeckung des Steins der Weisen sei also nur eine Schutzbehauptung gewesen, um die wahre Herkunft seines Vermögens zu verschleiern.
Flamel und seine Frau sollen einer weiteren Legende zufolge seinen Tod nur vorgetäuscht haben; in Wirklich seien ja beide durch Flamels Entdeckung des Steins der Weisen unsterblich geworden. Da auch das Gerücht umging, er habe einen Teil seiner Schätze mit ins Grab genommen, sollen Diebe letzteres aufgebrochen und leer vorgefunden haben. Im 18. Jahrhundert erzählte der französische Kaufmann Paul Lucas, er habe in der Türkei Einheimische getroffen, die dem noch immer lebendigen und jung gebliebenen Flamel begegnet wären.
In jüngster Zeit wurde Nicolas Flamel wie schon kurz erwähnt mit der aberwitzigen Verschwörungstheorie rund um die Rennes-le-Château-Legende und die angebliche Geheimorganisation Prieuré de Sion in Verbindung gebracht, deren angeblicher Großmeister er von 1398–1418 gewesen sein soll (wobei noch nicht einmal klar ist, ob er nicht bereits 1413 verstarb). Auf dieser Verschwörungstheorie, die Ende der 1960’er Jahre das Licht erblickte, baute Dan Brown seinen Bestseller Roman The da Vinci Code (dt. Sakrileg) auf [3]. Die Verschwörung beginnt mit der Kreuzigung Jesu, die dieser fingiert haben soll, um anschließend mit seiner schwangeren Geliebten Maria Magdalena respektive Maria von Magdala nach Südfrankreich auszuwandern. Die Nachfahren dieses Paares, zu denen gemäß dieser abstrusen Verschwörungstheorie, in die angeblich auch der Vatikan eingeweiht ist, der natürlich schon aus eigenem Interesse und aus reinem Selbsterhaltungstrieb heraus nichts preisgibt, gehörten, so der Plot, auch die Merowinger (das älteste Königsgeschlecht der Franken) sowie etliche europäische Kaiser und Könige; und auch heute noch leben angeblich Nachfahren von Jesus und Maria und warten darauf, dass sie endlich wieder zu ihrer Königswürde gelangen. Ich will hier nicht weiter auf diesen Unsinn eingehen. Nur soviel: wenn man die Rennes-le-Châteaux-Geschichte für sich analysiert, stellt man fest, dass es sich um eine durchaus geschickt konstruierte Geschichte handelt, deren Erfinder sich durchaus etwas dabei gedacht haben, aber Quatsch bleibt halt nun mal Quatsch.
Nicht nur in Dan Browns oben genanntem Bestseller wird Falmel erwähnt sondern auch in Victor Hugos Der Glöckner von Nore-Dame und in Alexandre Dumas Der Graf von Monte Christo, in Umberto Eccos Das Foucaultsche Pendel; und ebenso in Joanne Rowlings Roman Harry Potter und der Stein der Weisen (dort taucht er als 600 Jahre alter letzter Besitzer des Steins der Weisen auf). Auch in einigen anderen weniger bekannten Werken wird Flamel erwähnt.
Fußnoten:
[1] Es handelt sich um ein posthumes Portrait Flamels von Balthasar Moncornet (französischer Maler; * 1600, † 1688). Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
[2] Das hat natürlich nichts mit den ägyptischen Hieroglyphen zu tun.
[3] Dan Brown, Sakrileg, Bastei Lübbe Verlag, Mai 2006, Bastei Lübbe Taschenbuch 15485; Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Da Vinci Code, © Dan Brown, 2003
Forsetzung folgt
[2] Das hat natürlich nichts mit den ägyptischen Hieroglyphen zu tun.
[3] Dan Brown, Sakrileg, Bastei Lübbe Verlag, Mai 2006, Bastei Lübbe Taschenbuch 15485; Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Da Vinci Code, © Dan Brown, 2003
Forsetzung folgt