Buchrezension: Israel Regardie, A GARDEN OF POMEGRANATES
Israel Regardie: A GARDEN OF POMEGRANATES, Skrying on the Tree of Life,
Edited and annotated with new material by Chic Cicero and Sandra Tabatha Cicero;
Llewellyn Publications Woodbury, Minnesota; third edition, 2008
Über den Autor
Israel Regardie wurde am 17. November 1907 als Francis Israel Regudy in London als Sohn jüdischer Eltern geboren. Er war Okkultist, Magier und Psychoanalytiker vorwiegend Reichscher, aber auch Freudscher und Jungscher Schule. Im Alter von 13 Jahren emigrierte er mit seiner Familie in die USA, wo er 1926 Mitglied eines Rosenkreuzerkollegs, nämlich der Societas Rosicruciana in America, wurde. Zu dieser Zeit begann er sich intensiv für Okkultismus zu interessieren. Im Jahr 1928 wurde er Aleister Crowleys persönlicher Sekretär, doch bereits im Jahr 1932 erfolgte die (nicht ganz friedliche) Trennung der beiden. Im Jahr 1933 wurde Regardie Mitglied der Stella Matutina, einer Nachfolgeorganisation des Hermetic Order of the Golden Dawn, wo er das Gradsystem des Ordens in kürzester Zeit bis zum Adeptus Minor durchlief, was in dem Gradsystem dieser Loge dem 5° entsprochen haben dürfte. Allerdings kam es auch bald zu Konflikten zwischen ihm und der Führung des Ordens, was dazu führte, dass er diesen im Dezember 1924 verließ. Aus einem Großteil der Dokumente des Ordens stellte er in den Jahren 1937 bis 1940 das Werk The Golden Dawn zusammen, das häufig als Enzyklopädie der westlichen okkulten Tradition angesehen wird. Regardie versuchte vor allem in späteren Lebensjahren seine psychologischen und psychoanalytischen Kenntnisse mit seinem magischen Wissens- und Erfahrungsschatz zu verbinden. Regardie verstarb am 10. März 1985 in Sedona, Arizona.
Über das Buch
Gleich eine Anmerkung vorweg: Es gibt meines Wissens bis heute keine deutsche Ausgabe dieses Buches. Die nachstehende Rezension bezieht sich daher auf die amerikanische Originalausgabe A GARDEN OF POMEGRANATES, Skrying on the Tree of Life. Aus diesem Grund verzichte ich darauf Zitate zu übersetzen.
- dem ursprünglichen Buch Regardies (Erstausgabe 1932, zweite Auflage 1970) mit dem Titel A Garden of Pomegranates. An Outline of the Qabalah, jetzt versehen mit dem Präfix Part One; dieser erste Teil umfasst die Kapitel 1 bis 8;
- der von den Ciceros stammenden Ergänzung mit dem Titel Skrying on the Tree of Life. A textbook for practical work with the Qabalah und dem Präfix Part Two; dieser zweite Teil umfasst die Kapitel 9 bis 12.
Die Ciceros bemerken in ihrer Introduction to the Third Edition hierzu:
Part Two of this edition contains our own contribution. […]. […] Regardie skillfully outlined a lucid introduction of the Qabalah and described the basic concepts […], but he did not furnish readers with practical methods for experiencing Qabalistic energies and assimilating them into one’s daily spiritual practice. It was our desire to make this new edition more useful to students of Qabalah by adding effective exercises, rituals, meditations, and daily affirmations.
Aber damit noch nicht genug:
In addition to this, we have supplied students with path workings or guided visualizations for experiencing the various energies of the Sephiroth and Navitoth [die Pfade] on the Tree of Life.
Das Nachstehende bezieht sich auf den ersten Teil, also auf Regardies ursprüngliches Buch.
Regardies Buch, also der erste Teil der vorliegenden Ausgabe, gibt eine sehr schöne und kompakte Einführung in die Grundlagen und in die Symbolik der Kabbala, und vor allem weiß der Autor, wovon er schreibt, wie aus seiner Biographie deutlich hervorgehen dürfte. In dieses Buch hat er aber nicht nur seine eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse einfließen lassen, er hat vielmehr auch auf Arbeiten von Aleister Crowley, .A.E. Waite, Eliphas Levi, Paul Foster Case und D.H. Lawrence zurückgegriffen.
Man kann sich natürlich auch noch Gedanken darüber machen, inwieweit Regardie bei der Auswahl des Titels auf die symbolischen Bedeutungen des Granatapfels anspielen wollte, aber auch hier geben Chic und Sandra Cicero eine Antwort:
The title of the book was taken from an important sixteenth-century Qabalistic text called Pardis Rimonim or A Garden of Pomegranates.
Pardes Rimonim erschien erstmals im Jahr 1548. Als Autor gilt der jüdische Mystiker Mose ben Jacob Cordovero. Bei jenem Werk handelt es sich um eine umfassende Zusammenfassung des damaligen kabbalistischen Wissens, wobei auch viele grundlegende Begriffe der Kabbala wie zum Beispiel die Sephiroth, die Emanationen, die Heiligen Namen Gottes und die Bedeutung der hebräischen Buchstaben beleuchtet werden.
Das gleiche lässt sich über Regardies Garden of Pomegranates sagen. Das Buch behandelt schwierige Themen, schwierig zumindest für den Kabbala-Neuling, der zum allerersten Mal mit ihnen in Berührung kommt, aber Regardie versteht es, den Leser allmählich in das kabbalistische Denken einzuführen, vorausgesetzt dieser ist bereit, mitzuarbeiten und nicht auf Anhieb Verstandenes erneut durchzuarbeiten. Das Buch geht im Allgemeinen nicht zu sehr in die Tiefe, sondern eher in die Breite, indem es eine Vielfalt an Themen anschneidet und wie das Vorbild, Pardes Rimonim, alle grundlegenden Begriffe beleuchtet. Was aber kein Manko ist und schon gleich gar nicht ein Vorwurf an den Autor sein kann, denn das erklärte Ziel Regardies war es offensichtlich eine Einführung für den Anfänger zu geben, und das ist ihm voll und ganz gelungen.
Nach einem historischen Überblick über die Kabbala im ersten Kapitel (Historical Survey), in welchem kurz zwei Grundlagen der Kabbala, nämlich die Sefer Yetzirah und die Sefer Zohar, erläutert werden, folgt im Kapitel 2 (The Pit) eine Warnung vor einigen Irrtümern, denen der Anfänger zu erliegen droht sowie vor einigen Fallstricken, die unser Geist für uns aufgespannt hat. Damit verbunden sind einige kritische Anmerkungen zur „klassischen“ (d.h. nicht-kabbalistischen) Philosophie.
Das dritte Kapitel (The Sephiroth) gibt eine Einführung in die 10 Sephiroth, was natürlich nur ein grober Überblick sein kann (und will), ca. zweieinhalb Druckseiten pro Sephira.
Das vierte Kapitel (The Paths) stellt in gleichermaßen prägnanter Form eine Einführung in die 22 Pfade dar, wobei gleichzeitig die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets vorgestellt werden – ist doch jedem der 22 Pfade einer der 22 hebräischen Buchstaben zugeordnet.
Das fünfte Kapitel (Adam Kadmon) erläutert einen weiteren grundlegenden Begriff der Kabbala, nämlich den des Adam Kadmon (auch Qadmon), den so genannten „himmlischen“ oder auch „archetypischen Menschen“, ein Konzept, das vermutlich auf das 13. Jhd. zurückgeht und von Regardie so beschrieben wird:
The Qabalists consider the ten Sephiroth and the paths as an undivided unity, to form what is called Adam Kadmon, or the Heavenly Man. We may assume the Sephiroth to be the cosmic principles operative in the macrocosm — universals, and correspondingly, since ‘As above, so below’, they have their reflection in man as particulars.
Das sechste und das siebente Kapitel (The Literal Qabalah & The Literal Qabalah Continued) behandeln Themen wie Gematria, Notariqon und Temurah, die vier kabbalistischen Welten, deren „Schnitt- oder „Berührungspunkte“ (Stichwort: Malkuth der „höheren“ Welt = Kether der „darunterliegenden“ Welt), sowie die Zuordnung der Buchstaben des Tetragrammatons, YHVH (JHVH) zu diesen vier Welten.
Das achte Kapitel (The Ladder), zugleich das letzte Kapitel des ersten Teils, ist das längste und das komplexeste und baut auf allen vorhergehenden Kapiteln auf. Hier wird der Baum des Lebens unter einem neuen Licht betrachtet, wie Regardie gleich am Anfang dieses Kapitels selbst anmerkt:
We have considered at length the Tree of Life as a philosophical alphabet. It is now necessary to consider this Tree in an altogether new light.
Zunächst führt Regardie einige Bemerkungen zu der begrenzten Fähigkeit unseres Verstandes (Geistes) an, die Realität wahrzunehmen.
Dann folgen (erneut) einige kritische Bemerkungen zur Philosophie, wobei auch der von der Mystik beeinflusste Zweig der Philosophie wird scharf kritisiert wird.
In diesem Zusammenhang findet sich ein bemerkenswerter Satz:
Ultimately science must come to the Qabalah, because it alone provides a comprehensive method and a new direction for research.
Regardie geht alsdann auf die Methoden ein, die dem Kabbalisten hierfür zur Verfügung stehen und beschreibt detailliert die erste, da wichtigste, nämlich die Meditation. Dabei geht er auch und insbesondere auf das östliche Yoga ein:
[…] we will deal with meditation in its Hindu form as Yoga […] and consider meditation as a general formula, leaving its particular divisions for discussion in connection with the grades attributed to the ten Sephiroth.
Mit diesem Satz kündigt Regardie an, womit er dieses letzte Kapitel beschließen will. Doch vorher folgt noch eine ausführliche Erläuterung dessen, worauf es bei der Meditation ankommt. Dabei kommt Regardie auch noch kurz auf die magischen Waffen und deren Zuordnung zu den Sephiroth zu sprechen.
Abschließend erläutert Regardie dann anhand des Baums des Lebens ein Gradsystem, das er zunächst nicht auf einen bestimmten Orden zurückführt. Regardie merkt lediglich an, dass dieses Gradsystem von den Rosenkreuzern stammt, ohne einen bestimmten Orden oder eine bestimmte Loge zu nennen, was verständlich ist, denn zum Zeitpunkt der Entstehung des Buches tobte ein heftiger und polemisch geführter Streit darüber, welche Organisation denn nun der wahre, authentische und einzige Nachfolger des ursprünglichen Hermetic Order of the Golden Dawn sei.
Fazit
Zwar findet man in diesem Buch auch das ein oder andere, was aus heutiger Sicht längst widerlegt ist, aber das ist historisch bedingt. So zitiert Regardie zum Beispiel im dritten Kapitel, Eliphas Lévi und Court de la Gebelin, die einst die These unterstützten, Mose habe die Kabbala „geschaffen“, die im Buch Thoths tradiert worden sei. Regardie vermerkt dazu lediglich, dass man für die Richtigkeit dieser These nicht garantieren könne.
Auch kleine Ungenauigkeiten und Verwechslungen können den Wert des Buches nicht schmälern: Regardie verwechselt beispielsweise (im dritten Kapitel) den ägyptischen Erdgott Geb mit dem Krokodilsgott Sobek; an anderer Stelle unterscheidet er nicht zwischen Ochse und Bulle und bezeichnet beide als bewundernswertes Symbol der Zeugungskraft der Natur; über die Zeugungskraft eines Ochsen lässt sich streiten. Bei der Erklärung der Formel AGLA, ein Notriqon für Ateh Gibor Le-Olahm Adonai (Du bist mächtig in Ewigkeit, oh Herr) hat sich sowohl in der englischen als auch in der hebräischen Schreibweise ein Buchstabendreher eingeschlichen, sodass aus AGLA ein ALGA geworden ist.
Aber das sind Kleinigkeiten, über die man hinwegsehen kann, denn dieses Buch verdient nicht nur das Prädikat unbedingt lesen sondern ich möchte soweit gehen zu sagen: es ist ein absolutes Muss für alle, die sich mit der Kabbala beschäftigen wollen. Gute Englischkenntnisse sind jedoch unabdingbar.
A Garden of Pomegranates – das ist allerdings kein Buch, auch das sei deutlich gesagt, das man mal einfach so liest, und schon gleich gar nicht nebenher. Es ist tatsächlich ein Lehrbuch und eine Enzyklopädie in einem und die einzelnen Kapitel bauen aufeinander auf. Ohne das vorangehende Kapitel (wenigstens weitestgehend) verstanden zu haben, kann man das darauffolgende Kapitel nicht wirklich verstehen, wobei noch hinzukommt, dass Regardie immer wieder auf vorhergehende Kapitel rekurriert.
Nachdem ich dieses Buch im Jahr 2009 zum ersten Mal gelesen respektive durchgearbeitet habe, lese ich immer wieder mal das ein oder andere Kapitel oder zumindest eine Passage, wenn ich etwas rekapitulieren will oder bestimmte Dinge gerade nicht mehr aus dem Gedächtnis holen kann, oder mir mit irgendetwas nicht mehr sicher bin. Insofern ist es für mich auch zum Nachschlagewerk geworden, wobei Nachschlagen durch den umfangreichen Index (Sachregister) einfach gemacht wird: es gibt kein langes Suchen, kein endloses Vor- und Zurückblättern, bis man die richtige Stelle im Text oder die gesuchte Abbildung gefunden hat. Eine weitere Hilfe ist das extrem umfangreiche Glossar, das praktische alle im Text verwendeten Begriffe – kabbalistische wie aus anderen Traditionen stammende – enthält und nochmals in Stichworten erklärt.
Eine Rezension des zweiten Teils dieses Buches folgt demnächst.