Mythologie: Der Phönix - Teil 4 - Andere Länder
Slawische Mythologie
In der slawischen Mythologie wird der Phönix als Feuervogel bezeichnet (russisch жар-птица, schar-ptiza Feuervogel, v. жар Glut), der in einem weit entfernten Land lebt. Wird er gefangen, so bringt er gleichermaßen Unheil und Segen über den Fänger.Ähnlich der Feuersglut strahlt sein Federkleid in den Farben Gelb, Rot und Orange, wobei einzelne Federn auch richtig glühen und funkeln sollen. Fällt so eine glühende Feder aus, soll es möglich sein damit ein ganzes Zimmer zu beleuchten. Auf späteren Bildern wird der Phönix als Vogel mit einer Krone auf dem Kopf und Augenflecken auf den Schwanzfedern dargestellt – ähnlich wie ein Pfau.
In den slawischen Märchen rund um den Feuervogel muss fast immer ein Held eine Feder desselben bringen oder den gesamten Vogel fangen. Im Märchen steht die Feder als Warnung vor einer Unternehmung mit vielen Schwierigkeiten. Meist steht dem Helden ein magischer Helferling zur Unterstützung bereit. Am Ende bekommt der Held eine Belohnung (oft eine Prinzessin) – also auch ganz nach dem klassischen Aufbau deutscher Märchen. Sehr bekannt ist das Märchen von dem Zarensohn Iwan Zarewitsch: Der Feuervogel und der graue Wolf.
Ein König hat einen schönen Garten und in diesem Garten steht ein Baum, an dem goldene Äpfel wachsen. Als er feststellt, dass nachts jemand Äpfel stiehlt, legen sich die drei Königssöhne auf die Lauer. Die beiden älteren schlafen ein, doch Iwan, der jüngste, bekommt den Dieb zu sehen und — beinahe — zu fassen. Es ist der Feuervogel. Als Iwan versucht ihn zu fangen, gelingt es ihm nur, eine Schwanzfeder auszureißen. Die Feder beeindruckt den Zaren so sehr, dass er seine Söhne auf ihren edlen Pferden in die weite Welt hinaus schickt, um ihm den Feuervogel zu bringen. Jeder der drei reitet in eine andere Richtung. Als Iwan eine Pause macht und einschläft, ist sein Pferd verschwunden und er findet nur noch die Knochen desselben. Ein grauer Wolf taucht auf und gibt zu das Pferd gefressen zu haben. Als Entschädigung zeigt er Iwan den Weg zum Feuervogel und trägt ihn auf seinem Rücken dort hin. ... Am Ende hat Iwan den Feuervogel sowie ein Zauberpferd und auch noch eine Prinzessin gerettet. Seine Brüder ermorden ihn jedoch, der Wolf erweckt Iwan wieder zum Leben und tötet die Brüder. Am Ende heiratet Iwan die Prinzessin, nachdem er den Feuervogel zu seinem Vater gebracht hat.
China
In China ist der Fenghuang ein Symbol für Glück. Er soll einen Teil des Kaiser-Palastes (den Süden) beschützen. Fenghuang ist ein im Laufe der Zeit zusammengesetztes Wort, früher wurde mit Feng der männliche und mit Huang der weibliche Vogel bezeichnet.
Fenghuang auf dem Dach des Longshan-Temples in Taipei
© Bernard Gagnon (Creative Commons)
© Bernard Gagnon (Creative Commons)
Auch wenn auf dem ersten Blick Ähnlichkeiten mit dem Phönix bestehen, so darf der Fenghuang nicht mit diesem gleichgesetzt werden, er geht nämlich am Ende seines Lebens nicht in Feuer auf, auch wenn er ähnlich der ägyptischen und griechischen Mythologie in China mit dem Feuer assoziiert wird. Von den bildlichen Darstellungen her ähnelt der Fenghuang eher einem Fasanen oder einem Pfau. Das farbenprächtige Federkleid weist die in China fünf heiligen Farben auf: grün (Güte), weiß (Gerechtigkeit), rot (Anstand), schwarz (Weisheit) und gelb (Treue, Glaubwürdigkeit). Das Alter des Fenghuang wird mit etwa 1000 Jahren angegeben und er gilt als Symbol für die Barmherzigkeit. Bei dem in der chinesischen Astrologie verwendeten Roten Vogel des Südens (japanisch: Suzaku) handelt es sich wiederum um ein anderes Fabelwesen.
Gemeinsam mit dem chinesischen Drachen (Long) ist der Fenghuan in China ein Symbol für den Kaiser und die Kaiserin. Der Drache steht für den Kaiser während der Fenghuan für die Kaiserin steht.
Die Stadt Fenghuang
Laut einer Legende soll die altertümliche Stadt Fenghuan ihren Namen erhalten haben, als ein Pärchen (Feng und Huan) dieser Vögel darüber flog und von der Schönheit dieser Stadt so begeistert war, dass sie einige Kreise darüber zogen bevor sie ihren Weg fortsetzten.
Persien – Zentralasien - Islam
Ein Fabelwesen aus der persischen Mythologie ist der Simurgh (persisch سيمرغ, auch Simurg, Simorg oder Senmurv im Mittelpersischen genannt). Ebenso kommt er in der Mythologie der Baschkiren (russisches Volk im Uralgebirge) und den Turkvölkern in Zentralasien vor. Dort ist er unter den Namen Samruk, Samran, Semurg, Semrug oder Kerkés bekannt.Im arabischen Sprachraum ist er unter dem Namen Anqa, im persischen aber auch unter Angha bekannt. Meist wird er als der selbe Vogel angesehen – egal unter welchem Namen. Auch wenn nichts davon überliefert ist, dass er sich selbst zerstört und wieder aufersteht, gilt er dennoch als das arabische/persische Equivalent des Phönix.
Der Simurgh ist der König der Vögel und auch ein Schutzvogel mit übernatürlichen Kräften. Welcher Vogel ursprünglich als Vorbild diente, ist nicht bekannt. Diskutiert werden Strauß, Adler, Falke, Geier. So wird er u.a. als eine Mischung aus mehreren Tieren dargestellt. Bekannt sind Mischungen aus Hund und Fledermaus mit Pfauenfedern, aber auch andere ähnliche Darstellungen.
In der Mythologie des Irans soll sich das Nest des Simurgh hinter dem Berg Kuh-e Qaf, dem Zielort von Wahrheit und Selbsterkenntnis befinden. Der Berg soll ein die Welt umgebendes Ringgebirge sein, jenseits dessen das unendliche Nichts beginnt. Örtlich soll es sich dabei entweder um den Kaukasus, den Hindukusch oder das Elburs-Gebirge (Hochgebirge im nördlichen Iran mit dem Berg Damavand) handeln.
Damavand im Elburs-Gebirge
© Mostafa Saeednejad (Creative Commons)
© Mostafa Saeednejad (Creative Commons)
Der islamische Mystiker und persische Dichter Fariduddin Attar (1136 bis 1220) schrieb in einem seiner Werke über die „Sieben Städte der Liebe“, welche eine pessimistische und eine optimistische Seite haben (der Berg Damavand wird mit diesen Städten in Zusammenhang gebracht).
Das Mausoleum von Fariduddin Attar in Nischapur, Persien
© Nik_Pendaar (Creative Commons)
© Nik_Pendaar (Creative Commons)
Außerdem verfasste er das im Sufismus bedeutende Werk „Vogelgespräche“ (persisch منطق الطير, Mantiq at-Tair), in dem er beschreibt wie der Simurgh zur Selbsterkenntnis gelangte.
In diesem Werk erzählt er die Geschichte von „Tausenden von Vögeln der Welt“, die sich auf die Suche nach einem König der Vögel machen. Sie beschließen den Simurgh zu suchen – in ihren Augen der beste König für die Vogelschar. Ein beschwerlicher Weg beginnt, welcher durch die sieben Täler führt (den sieben Stufen des Sufi-Pfades). Am Ende der Reise bleiben 30 Vögel übrig. Am Ziel der Reise angekommen, blicken die Vögel in das Wasser eines Teiches und erkennen sich selbst. Der persische Name des Königs bedeutet getrennt geschrieben 30 Vögel (si murgh).
„Konferenz der Vögel“, Illustration von Habib Allah.
Der Wiedehopf, Mitte rechts, instruiert die anderen Vögel über den Sufi-Pfad
© Public Domain
Der Wiedehopf, Mitte rechts, instruiert die anderen Vögel über den Sufi-Pfad
© Public Domain
In einem der berühmtesten Werke der persischen Literatur, der Schahnameh (Buch der Könige, 62 Sagen in 990 Kapiteln und 60000 Versen) des Dichters Abū ʾl-Qāsim Firdausī (940–1020) spielt der Simurgh in der Geschichte von Zal und dessen Sohn Rostam eine große Rolle.
Basawan. The Flight of the Simurgh. ca. 1590, Sadruddin Aga Khan Collection
© Public Domain
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Als Zal später verheiratet ist und mit seiner Frau ein Kind erwartet, gibt es große Schwierigkeiten während der Geburt des Babys. Zal ruft Simurgh, den „Löwen der Lüfte“ um Hilfe und fragt ihn, was er tun soll. Daraufhin sagt Simurgh die Geburt eines Jungen voraus, der als Held im Iran gefeiert werden wird. Simurgh sagt Zal, wie die Geburt von jetzt an verlaufen soll und beschreibt dies dann detailliert in Form des heute bekannten und auch angewendeten Dammschnitts (wir erinnern uns: die Sagen stammen aus der Zeit um 960 bis 1000 und wurden mündlich nacherzählt).
Nicht im Geburtsweg kommt er zur Welt,
Wie es dem Geber des Guten gefällt.
Bring einen glänzenden Dolch herbei,
Und einen der zauberkundig sei,
...
Er spalte die Weiche der schlanken Zypress',
Empfinden wird sie nicht schmerzlich es.
Heraus zieht' er die Leuenbrut,
Und setze des Mondes Seit' in Blut.
Dann näh' den Riß er wieder zu;
Die Furcht aus dem Herzen räume du!
Ein Kraut das ich sage, stampfe das
Mit Milch, und im Schatten es trocknen laß;
Reib' und streich' es an jener Wunde,
Und du siehst sie gesund zur Stunde.
Dann reib daran eine Feder mein,
Meine Macht wird dir heilsam sein.
Wie es dem Geber des Guten gefällt.
Bring einen glänzenden Dolch herbei,
Und einen der zauberkundig sei,
...
Er spalte die Weiche der schlanken Zypress',
Empfinden wird sie nicht schmerzlich es.
Heraus zieht' er die Leuenbrut,
Und setze des Mondes Seit' in Blut.
Dann näh' den Riß er wieder zu;
Die Furcht aus dem Herzen räume du!
Ein Kraut das ich sage, stampfe das
Mit Milch, und im Schatten es trocknen laß;
Reib' und streich' es an jener Wunde,
Und du siehst sie gesund zur Stunde.
Dann reib daran eine Feder mein,
Meine Macht wird dir heilsam sein.
Die kurdische Mythologie kennt den Simurgh unter dem Namen Simir, mit ähnlicher Bedeutung, als Königs- oder Glücksvogel (Homa), der auch als Humai oder Humá in den Märchen Anatoliens bis nach Nordindien vorkommt.
Übrigens: Der Vogel Roch (Roc, Rokh, Ruch, Rock) aus den Erzählungen von Tausendundeiner Nacht und Marco Polo hat rein gar nichts mit dem Phönix / Simurgh zu tun. Er ist ein riesiger Vogel, der sogar Elefanten und Schiffe herumtragen kann.