Der Stern von Bethlehem
Ein paar Anmerkungen zum Stern von Bethlehem
(keine wissenschaftliche Abhandlung und ohne Anspruch auf Vollständigkeit)Es ist sehr viel darüber spekuliert worden, welche Bedeutung hinter dem Stern von Bethlehem stecken könnte, ob er sich auf eine tatsächliche astronomische Erscheinung zurückführen lässt oder einfach nur mythologisches Beiwerk ist. Ich möchte hier einige Varianten diskutieren.
1. ) Der Halleysche Komet
Häufig wird auch der Halleysche Komet mit dem Stern von Bethlehem in Verbindung gebracht. Dieser Komet umrundet die Sonne mit einer Periode von ca. 76 Jahren. Seine Umlaufbahn ist stark exzentrisch, d.h. sie weicht drastisch von der Kreisform ab; es handelt sich um eine lang gezogene Ellipse. Infolgedessen variiert auch sein Abstand von der Sonne drastisch. Nur wenn er sich im der Sonne am nächsten gelegenen Bereich seiner Bahn befindet wird er so hell, dass er von der Erde aus sichtbar ist. Das war das letzte Mal im Jahr 1986 der Fall. Bei dieser Gelegenheit wurde der Komet sehr genau erforscht. Seine Bahn konnte mit extremer Genauigkeit bestimmt werden. Wenn man nun auf dieser Basis zurückrechnet, wird klar, dass der Halleysche Komet als Erklärung für den Stern von Bethlehem nicht infrage kommen kann, denn in dem Zeitraum, in welchem Jesus angeblich geboren worden sein soll, befand sich dieser Komet weit weg von der Erde; so weit weg, dass man ihn mit bloßem Auge nicht hätte sehen können, ganz zu schweigen davon, dass er eine spektakuläre Erscheinung am Himmel gewesen wäre.
Nun wird zwar in volkstümlichen Darstellungen der Weihnachtsstern immer wieder als Schweifstern, sprich als Komet, dargestellt und ein berühmtes Bild des italienischen Malers Giotto di Bondone (1266-1337), betitelt Anbetung der Heiligen Drei Könige suggeriert ebenfalls einen Kometen als Weihnachtsstern. Die NASA benannte sogar eine unbenannte Raumsonde, die sie im Jahr 1986 zum Halleyschen Kometen sandte, nach diesem Maler und man kann natürlich darüber spekulieren, ob wenn schon nicht der Halleysche Komet, dann eben ein anderer Komet als Erklärung für den Stern von Bethlehem infrage kommen könnte. Tatsächlich ist überliefert, dass chinesische Astronomen im Jahr 5 v.d.Z. einen Kometen beobachtet haben, der auch im Vorderen Orient zu sehen gewesen sein muss. Allerdings halte ich diese Spekulationen für müßig, denn die volkstümliche Identifizierung des Weihnachtssternes mit einem Kometen dürfte wohl erst im Mittelalter eingesetzt haben; vielleicht war ja Giotto sogar der Initiator dieser Idee, auch wen es eigentlich sehr befremdlich ist, dass er die Geburt Jesu mit dem Auftauchen eines Kometen verknüpfte. Kometen galten nämlich von alters her als Unglücksboten, auch und ganz besonders im mesopotamischen Raum. Im Mittelalter galten sie als Vorboten von Pestepidemien, Hungersnöten und Krieg; ja man machte sie sogar für die Verbreitung der Pest verantwortlich. Sollten drei Magier der Antike, egal ob sie nun aus Babylon oder aus Syrien oder aus einer anderen Gegend des Vorderen Orients kamen, einem Kometen gefolgt sein, so würde das ein völlig anderes Licht auf die Geschichte von den Heiligen Drei Königen werfen als das Matthäus-Evangelium suggeriert!
2.) Eine Supernova
Eine Supernova kommt zustande, wenn ein großer Stern am Ende seines Lebens explodiert. Die Leuchtkraft des Sterns nimmt dabei innerhalb kürzester Zeit um ein millionenfaches, ja mitunter sogar milliardenfaches zu. Das bedeutet, dass ein Stern, der bislang mit bloßem Auge kaum sichtbar oder sogar überhaupt nicht sichtbar war, plötzlich heller strahlt als der hellste Stern am Firmament; so hell, dass er auch bei Tage noch sichtbar ist und nicht wie allen anderen Sterne von der Sonne überstrahlt wird. Das wäre eine wunderbare Erklärung! Sie hat allerdings zwei entscheidende Haken:
- Zum ersten gibt es keinerlei historische Aufzeichnung über eine Supernova, deren Erscheinen in den Bereich 10 v.d.Z. bis 10 n.d.Z. fällt; eine derartige Erscheinung wäre aber den Astronomen und Astrologen jener Zeit nicht verborgen geblieben und wir sollten in ihren Aufzeichnungen entsprechende Hinweise finden. Die chinesischen Astronomen führten z.B. sehr zuverlässig Buch über ungewöhnliche Himmelserscheinungen. Aber für den fraglichen Zeitraum wissen sie nichts zu berichten.
- Zum zweiten hinterlassen Supernovae Spuren am Himmel, die auch nach tausenden von Jahren noch vorhanden sind und – das ist entscheidend – den modernen Astrophysikern Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der Explosion des Sterns und somit auf den Zeitpunkt des Sichtbarwerdens der Supernova erlauben. Aber auch hier Fehlanzeige!
Das ist die Variante, die mir am interessantesten erscheint, und zwar im Hinblick auf das beginnende Zeitalter der Fische. Bereits der Astronom Johannes Kepler Johannes Kepler (1571-1630) hatte errechnet, dass im Jahr 7 v.d.Z. eine dreimalige Jupiter-Saturn-Konjunktion stattgefunden haben muss. Keplers Berechnungen wurden später von d'Occhieppo wieder aufgegriffen. Sie lassen sich mit heutigen Methoden verifizieren.
Konjunktion bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass sich die beiden Planeten am Himmel sehr nahe kommen, im Idealfall so nahe, dass man sie mit bloßem Auge nicht mehr auseinander halten kann sondern als einen einzigen Stern wahrnimmt. Dreimalige Konjunktion bedeutet, dass sich die beiden Planeten innerhalb dieses Jahres dreimal extrem nahe kamen. Jupiter-Saturn-Konjunktionen spielten in der antiken Astronomie und Astrologie eine herausragende Rolle; alle 20 Jahre begegnen sich die beiden Planeten und nach ungefähr 60 Jahren erfolgt diese Begegnung obendrein wieder im selben Sternbild, sodass diese Konjunktionen als Basis für die Berechnung des so genannten großen Jahres und als Zeichen epochaler Veränderungen galten. Insofern könnte es durchaus Absicht des Verfassers des Matthäus-Evangeliums gewesen sein, die Geburt des Messias und den Beginn des neuen Fische-Zeitalter mit der großen, dreimaligen Jupiter-Saturn-Konjunktion in Verbindung zu bringen.
Oftmals wird dieses Dreifachkonjunktion auf das Jahr 7 n.d.Z. datiert und dann als Erklärung für den Stern von Bethlehem ausgeschlossen, weil nämlich König Herodes, dem im Matthäus-Evangelium der Kindermord zugeschrieben wird, bereits im Jahr 4 v.d.Z. verstorben war. Diese Datierung ist aber definitiv falsch, auch wenn es sich bei der Herodes-Geschichte vermutlich um eine freie Erfindung handeln dürfte.
Die Jupiter-Saturn-Konjunktionen im Sternbild der Fische hingegen verdienen es, genauer betrachtet zu werden. Für die Astrologen der damaligen Zeit und so insbesondere auch für die Astrologen Mesopotamiens waren die Planeten nicht einfach nur Himmelskörper sondern sie wurden mit Göttern identifiziert und wurden für Ereignisse auf der Erde und das Schicksal der Menschen verantwortlich gemacht. Alles was sich am Himmel abspielte entsprach auch Ereignissen auf der Erde. So galt das Haus der Fische als das Haus der Gerechtigkeit und der erstrahlenden Herrlichkeit und als Domicilium Jovis, also als der Sitz des Jupiters. Die beiden Planeten Jupiter und Saturn wiederum, von denen wir heute wissen, dass sie die beiden größten Planeten unseres Sonnensystems sind, galten als die wichtigsten für das Weltschicksal und insbesondere für das Schicksal der Juden. Saturn war der Stern Israels. Als solcher wird er schon im Alten Testament erwähnt; bei Amos (5.26) heißt es, Kewan [= Saturn] sei der Stern Eures Gottes. Jupiter repräsentierte den König der Gerechtigkeit (hebräisch Melchisedek, מַלְכִּי־צֶדֶק ). Im Neuen Testament wird die Gestalt des Melchisedek ausdrücklich im Brief an die Hebräer in den Kapiteln 5-7 hervorgehoben. Der Hebräerbrief nennt Jesus Christus einen Hohenpriester nach der Ordnung Melchisedeks (Hebr. 5,6.10).
Zum Sitz des Jupiters gehörten nach dieser Auffassung u.a. Mesopotamien, das Rote Meer und Palästina. In der babylonischen Astrologie galt Jupiter insbesondere als der Königsstern; als der Stern des höchsten Gottes Marduk. Saturn entsprach dem Gott Kajmanu bzw. Kaiman und das ist wiederum der Kewan aus Amos (5.26). Das Sternbild der Fische stand in der babylonischen Astrologie für das Land Palästina. Man könnte hier also durchaus einen Hinweis auf den erwartteten Messias sehen (→ Jupiter → Jesus Christus, der König der Gerechtigkeit).
Der Sabbat ist übrigens der Saturn-Tag. So heißt er z.B. im Englischen Saturday. Die Römer feierten am Samstag die Saturnalien. Im abendländischen Mittelalter wurde Saturn dann zum Sitz des Teufels umgedeutet, sodass der Samstag letztendlich der Tag Satans ist, was uns aber nicht weiter beunruhigen muss, denn gleich danach kommt ja der Tag des Herrn.
Die auffälligste dieser drei Jupiter-Saturn-Konjunktionen muss die am 29.Mai des Jahres 7 gewesen sein. An diesem Tag betrug der Abstand der beiden Planeten weniger als eine halbe Vollmondbreite. Sie fand nicht nur im Sternbild der Fische statt sondern obendrein auch noch ganz nahe am Frühlingspunkt, was ihr zusätzliche astrologische Bedeutung verleiht: Der Frühlingspunkt war gerade dabei, in das Sternbild der Fische einzuziehen, er kam aus dem Sternbild des Widders. Die Fische stehen für das Wasser, der Widder für das Feuer. Diese Konjunktion konnte also auch als ein Hinweis auf die Vereinigung von Gegensätzen (männlich + weiblich) interpretiert werden.
Wenn man unbedingt möchte, kann man über diese Jupiter-Saturn-Konjunktion im Sternbild der Fische vom 29. Mai des Jahres 7 auch wüst spekulieren; das geht dann ungefähr so: Mars stand in Opposition, also an der entgegen gesetzten Stelle des Himmels, d.h. im Sternbild der Jungfrau. Jesus wurde bekanntlich von einer Jungfrau geboren (sofern man das Neue Testament wörtlich verstehen möchte). Die Sonne stand im Sternbild der Zwillinge. In dem gnostischen Text Pistis Sophia wird Jesus als der Zwillingserlöser bezeichnet.
Allerdings gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Jesu Geburt jemals irgendwo am 29. Mai gefeiert worden wäre. Das ist aber insofern nicht verwunderlich, als nirgendwo explizit behauptet wird, dass die Weisen aus dem Morgenland am Tage der Geburt oder unmittelbar danach erschienen wären. Es heißt lediglich, dass sie dem neugeborenen Königskind huldigten; das kann natürlich auch 4-5 Monate nach dessen Geburt geschehen sein. Schließlich hatten sie, unabhängig davon ob die Geschichte auf eine wahre Begebenheit zurückgeht oder reine Fiktion ist, eine weite Anreise und mussten erst einmal den Weg finden.
Allerdings muss man gegen diesen Erklärungsversuch für den Stern von Bethlehem einwenden, dass die beiden Planeten sich nicht so nahe kamen, dass man sie nicht doch noch mit dem bloßen Auge hätte auseinander halten können. Andererseits muss man wohl auch zwischen dem unterscheiden, was die Astrologen gesehen haben und dem was 50-80 Jahre später niedergeschrieben wurde.
Es muss noch angemerkt werden, dass das Motiv des Sterns von Bethlehem nichts typisch Christliches ist.
Ein heller Stern begleitete auch andere Ereignisse der Antike. Nachstehend nur ein Beispiel. Der römische Geschichtsschreiber Justinus berichtet von einem wundersamen Stern bei der Geburt Mithradates IV (ca. 132-63 v.d.Z.):
Seine künftige Größe hatten sogar himmlische Wunderzeichen vorher verkündet. Es leuchtete nämlich sowohl in dem Jahre, da Mithradates geboren wurde, als auch in dem Jahr, da er zu regieren anfing, während des doppelten Zeitraums ein Schweifstern siebzig Tage lang so, dass der ganze Himmel aufzulodern schien. Denn nicht nur hatte er mit der Größe von sich den vierten Teil des Himmels eingenommen, sondern auch durch den von ihm ausgehenden blitzenden Schimmer den Glanz der Sonne übertroffen; und so oft er auf- und unterging, brachte er damit eine Zeit von vier Stunden zu.
(Justinus, Epitome aus Pompeius Trogus 37,2; Justinus war Geschichtsschreiber zur Zeit des Kaisers Augustinus - 27 v.d.Z. bis 14 n.d.Z.)
Auch die im Matthäus-Evangelium erzählte Geschichte von Herodes, der den neu geborenen König und künftigen Führers Israels umbringen lassen will, hat mehrere Parallelen. Das Motiv findet sich bereits im Alten Testament, taucht aber auch bei etlichen griechischen und römischen Autoren immer wieder auf. So schreibt z.B. der Kaiser-Biograph Sueton:(Justinus, Epitome aus Pompeius Trogus 37,2; Justinus war Geschichtsschreiber zur Zeit des Kaisers Augustinus - 27 v.d.Z. bis 14 n.d.Z.)
Julius Marathus berichtet, dass wenige Monate, bevor er [Augustus] geboren wurde, ein Vorzeichen in Rom öffentlich geschah, durch welches angekündigt wurde, die Natur sei schwanger mit einem König für das römische Volk. Der Senat habe darauf voller Schrecken beschlossen, dass kein in jenem Jahr geborenes Kind aufgezogen werden solle.
(Sueton, Augustus 94)
Fazit: Es gibt keine wirklich definitive und schlüssige Erklärung für das im Matthäus-Evangelium beschriebene Phänomen. Allerdings darf man nicht ausschließen, dass es sich bei der ganzen Geschichte um reine Fiktion handelt, die wiederum auf älteren Mythen und Fiktionen nicht-christlichen Ursprungs basiert.
(Sueton, Augustus 94)